April 2009: Internationale Abrüstungspolitik nach Bush – neue Aufgaben für das transatlantische Bündnis?

 

Internationale Abrüstungspolitik nach Bush

– neue Aufgaben für das transatlantische Bündnis?

 

Auf der Sitzung des AK Außen- und Sicherheitspolitik der AGE am 22.4. 2009 trug Michael Derus, liberaler Beamter im AA und stv. Leiter der Politischen Abteilung in der NATO, zuständig für Abrüstungsfragen, die These vor, dass die NATO auf ihrem Gipfel Anfang April 2009 das Thema nukleare Abrüstung erstmals nach Ende der Bush-Aministration innerhalb des Bündnisses erheblich aufgewertet hat. Dies sei nicht zuletzt auch als Signal an die im Mai ds. Js. stattfindende 3. Vorbereitungskonferenz für die Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV) von Bedeutung.


Derus führte einleitend aus, dass der Antritt der Obama-Administration zusammenfalle mit einer internationalen Konjunktur für Abrüstungsfragen. Sowohl US-amerikanische als auch europäische “elder statesmen” hätten öffentlich für neue Initiativen plädiert. Die Prager Rede von Obama zur nuklearen “Null-Lösung” als Vision müsse ernst genommen werden. Der russische Präsident Mewedjew habe in seiner Helsinki-Rede vom 20. April 2009 ebenfalls Interesse signalisiert. Das Thema werde selbst in der G-8 neuerdings behandelt. Schließlich stehe mit der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag 2010 eine wichtige internationale Diskussion an ihrem Anfang.


Rückblickend auf die Politik der Bush-Administration hielt Derus fest, dass die Nichtratifizierung des Umfassenden Nuklearen Teststoppvertrags (CTBT) und die Aufkündigung des ABM-Vertrages die US-amerikanische Position geprägt habe. Nur gegen starken amerikanischen Widerstand sei es der Bundesregierung, durch das Kommuniqué des Bukarester Gipfels 2008 für ein “raising profile” des Abrüstungsthemas in der NATO zu sorgen. Die Gremien seien u.a. aufgefordert worden, eine Strategie für public diplomacy zu entwerfen, in der der politische Charakter des Bündnisses stärker betont werden sollte. Die US hätten dies nur mitgetragen, als sich im Gegenzug ein Kompromiss zu MissileDefence in Tschechien und Polen abgezeichnet habe.

 

Derus stellte weiterhin die wesentlichen Kontinuitätslinien und – brüche zwischen der alten und neuen US-Regierung dar.

 

Zu Nordkorea werde auch die Obama-Administration auf dem Standpunkt beharren, dass der Besitz von Nuklearwaffen für die kommunistische Diktatur nicht hinnehmbar sei. Nordkorea sei ausserdem ein gefährlicher Proliferateur. Die Frage sei nur, mit welchen Mitteln auf das Ziel eines nuklearwaffenfreien Nordkorea hingearbeitet werden könne. Selbiges gelte für Iran. Während die USA in der Sache hart blieben, werde sich wohl der diplomatische Stil ändern – freilich habe der Iran auf das erste Gesprächsangebot Obamas sehr zögerlich reagiert, was in Washington bereits negativ zur Kenntnis genommen worden sei.

 

Die Politik zur Raketenabwehr in Polen und Tschechien sei demgegenüber im Fluss. Hier komme es entscheidend auf direkte Verhandlungen zwischen USA und Rußland an. Auch der Kreml habe ein Interesse an Rüstungskontrolle und der Stabilisierung des Nichtverbreitungsregimes.


Deutliche Bewegung gebe es zu wichtigen Abrüstungsverträgen. So werde in Washington nun ernsthaft an ein Nachfolgeabkommen START gedacht – ein erstes Gespräch zwischen dem russischen Vertreter Antonow und der neuen US-Unterhändlerin Gottemoeller fand am 24.04. in Rom statt, weitere Verhandlungsrunden wurden vereinbart – und die Ratifikation des umfassenden Teststoppvertrags (CTBT) angestrebt. Sehr wichtig sei auch die klare Anerkennung der Abrüstungsverpflichtung der Nuklearstaaten (Artikel 6 des Nichtverbreitungsvertrags) durch Obama und Medwedjew in ihrer gemeinsamen Erklärung nach ihrem ersten Treffen Anfang April in London. Schließlich seien die USA nun auch positiver zu einem multilateralen Übereinkommen zum Waffenhandel eingestellt. Die Erhaltung des durch Russland im Dezember 2007 einseitig suspendierten Vertrags über die konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE) bleibe auch für die neue US-Administration ein Anliegen.

 

Für die NATO ergebe sich aus alledem ein neues Momentum, das es zu nutzen gelten. Zwar halte Frankreich nach wie vor seine “force de frappe” aus der nuklearen Planungsgruppe heraus. Allerdings sei Gipfel in Straßburg und Kehl der Auftrag erteilt worden, ein neues Strategisches Konzept für 2010/11 vorzulegen. Hier müsse der Stellenwert der Abrüstungspolitik im Bündnis klar herausgestrichen werden, eingebettet in die globale Abrüstungspolitik. Damit komme viele auch auf die Entwicklungen zwischen den USA und Rußland an und das dort zu entwickelnde Vertrauen.

 

In der engagierten Diskussion hob Derus hervor, dass die Abrüstungsfragen nach wie vor in einem sehr kleinen Zirkel von Experten diskutiert würden. Auch setze sich die neue politische Linie aus Washington nicht immer auf der Beamten-Ebene schnell durch. Ein Dilemma sei auch die Versuchung der nuklearen Aufrüstung in regionalen Konflikten (Indien/Pakistan; Nahost). Der einzig sinnvolle Weg sei hier, an der Wurzel der Konflikte anzupacken und die Gefahren der nuklearen Rüstung einzudämmen. (FH)